Anonyme Bewerbung

Anonyme Bewerbungen sind in Deutschland nicht sehr weit verbreitet, in der Privatwirtschaft spielt das anonyme Bewerbungsverfahren kaum eine Rolle, lediglich in einigen Kommunen wird es umgesetzt.
Obwohl es gute Argumente für anonymisierte Bewerbungsverfahren gibt, was auch durch Studien belegt wurde.
International sind anonyme Bewerbungen vor allem in den USA und Kanada Standard, und auch in Großbritannien weiter verbreitet. Dort wurden mit dem anonymisierten Bewerbungsverfahren gute Erfahrungen gemacht.
Ziel ist es, dass die Einladung zum Vorstellungsgespräch ausschließlich aufgrund der Qualifikation und Motivation erfolgt, und dadurch mehr Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt entsteht.

 

Anonyme Bewerbung konkret – was weg gelassen wird

Die anonyme Bewerbung kommt ohne folgende Informationen aus:

  • Bewerbungsfoto
  • Namen
  • Adresse
  • Geburtsdatum oder Angaben zu Alter
  • Familienstand
  • Herkunft
  • Jahreszahlen im Lebenslauf
  • Angabe von Hobbys und Interessen
  • Anlagen wie Zeugnisse und Qualifikationen

Praktisch umgesetzt wird dies, indem einheitliche, anonymisierte Bewerbungsformulare zur Verfügung gestellt werden oder die Bewerbungsunterlagen nachträglich anonymisiert werden, zum Beispiel durch Schwärzen durch eine neutrale Person.

Wenn die Unterlagen per Mail zugesandt werden, sollte ebenfalls auf eine anonyme (und geschlechtsneutrale) E-Mail Adresse geachtet werden.

 

Die Grenzen des anonymen Bewerbungsverfahren

Das anonymisierte Bewerbungsverfahren endet mit der Einladung zum Vorstellungsgespräch. Steht die Auswahl an Bewerbern fest, erhalten die Personalverantwortlichen vollständige Bewerbungsunterlagen, mit allen oben ausgeschlossenen Informationen. Das hat Vor- und Nachteile:

Die Vorteile

Die Qualifikation und Motivation rückt im ersten Schritt des Bewerbungsverfahrens in den Vordergrund

  • Für manche Bewerbergruppen verbessern sich die Chancen, zum Beispiel Menschen mit Migrationshintergrund und junge Frauen
  • Vorurteile und Diskriminierung können abgebaut werden
  • Wird ein Formular verwendet, sind die Bewerbungen besser Vergleichbar
  • Der Bewerbungsprozess kann im ersten Schritt effizienter gestaltet werden (durch das Formular)

Doch wo es Licht gibt, gibt es auch Schatten. Diese Nachteile kann das Verfahren haben:

Die Nachteile

  • Kein Schutz vor Diskriminierung im Vorstellungsgespräch
  • Berufseinsteiger können weniger mit der Qualifikation punkten, sie müssen Ihre Motivation umso deutlicher machen
  • Unternehmen können bei Bedarf weniger gezielt Frauen oder ausländisches Know-How rekrutieren
  • Informationen gehen verloren, die eventuell wichtig gewesen wären, zum Beispiel zum Beispiel Hobbys, Sprachkenntnisse und interkulturelle Fähigkeiten
  • Erhöhter Aufwand wenn die Bewerbungsunterlagen durch eine neutrale Person geschwärzt werden müssen, zum Beispiel bei Initiativbewerbungen
  • Nicht für jede Stelle geeignet, zum Beispiel für Stellen in denen Kreativität oder auch Persönlichkeit besonders gefragt sind
  • Gefahr, dass zu eingeschränkt gesucht wird und nur Menschen mit einem angepassten Lebenslauf eine Chance haben
  • Imageproblem: Unternehmen denken ein anonymisiertes Bewerbungsverfahren wäre gleichzeitig ein Schuldeingeständnis, dass es Diskriminierung im Unternehmen gibt
  • Da keine Information über die Verfügbarkeit von Bewerbern zu einem Vorstellungsgespräch vorliegt, müsste oftmals ein Telefoninterview vorgeschaltet werden, was zusätzlichen Aufwand bedeuten würde

Zitat: „Wenn das Verfahren so verengt wird, ist die Gefahr groß, dass dann nur noch konforme Personen mit einem konventionellen Lebenslauf genommen werden und all diejenigen mit einem ungewöhnlichen Lebensweg herausfallen“, sagt Forscherin Weichselbaumer im Spiegel.

Fazit – Das Imageproblem und eine aussichtsreiche Alternative

Deutlich wird, anhand obiger Aufstellung, dass die Liste der Argumente gegen ein anonymisiertes Verfahren überwiegt. Deshalb hat sich die anonyme Bewerbung in Deutschland bisher nicht durchgesetzt.

Das Imageproblem ist wahrscheinlich ein Hauptargument dafür, warum sich anonymisierte Bewerbungen in Deutschland noch nicht etabliert oder durchgesetzt haben, während sie in den USA und Kanada weit verbreitet sind (nur der Name wird nicht anonymisiert).

Da sich der Arbeitsmarkt hin zu einem Bewerbermarkt entwickelt, wirkt das Verfahren auf den ersten Blick etwas altmodisch. Der Arbeitsmarkt in Deutschland wird immer internationaler, Arbeitskräfte werden in vielen Branchen händeringend gesucht und Menschen veröffentlichen sehr viele Informationen über sich im Internet.

Eine gute Alternative gegen Diskriminierung bei der Bewerberauswahl stellen Onlinetests dar. Diese stehen mittlerweile für fast alle Berufsgruppen zur Verfügung und ihre Relevanz und ihr Nutzen ist nachgewiesen.

Auf der Grundlage der Ergebnisse kann dann sachlich entschieden werden, bei wem es sich lohnt, in ein Bewerbungsgespräch zu investieren.